Skip to content

Jahr 1 nach Snowden

Heute jährt sich auch etwas, und zwar die erste Veröffentlichung aus dem Archiv von Edward Snowden. Das war das Urteil des Geheimgerichts, mit dem dem Us-Netzbetreiber Verizon vorgeschrieben wurde, auf Vorrat alle Verbindungsdaten an die NSA zu übergeben. Mit dem Urteil alleine war schon klar, dass das Märchen der Geheimdienstler, die NSA schnüffele doch keine Daten von Amerikanern ab, gelogen war. Kurz danach ging es mit PRISM weiter, und seitdem fallen alle paar Wochen neue Ungeheuerlichkeiten aus dem Schnüffelfundus in die Öffentlichkeit. Es ist einigermaßen offensichtlich, dass die Geheimdienste weltweit alles überwachen, miteinander zusammenarbeiten, um so störende Dinge wie Gesetze zu umgehen, und genau gar keine Skrupel haben. 

Die Veröffentlichungen, dass Schnüffler bei Dienstanbietern Kundendaten raustragen (PRISM), an Internetleitungen lauschen (wie heißt das GCHQ-Programm eigentlich?), Internetzugriffe protokollieren und durchsuchbar vorhalten (XKeyScore) und sogar von ganzen Ländern alle Telefonate abhören, führte in der Politik erstmal zu Geruder. Ich erinnere mich immer noch mit Abscheu an den Herrn Profalla, der die Vorwürfe von "vermeintlicher Totalausspähung" für "vom Tisch" gewischt gehalten hat, bis dann im Oktober bekannt wurde, dass das unverschlüsselte Telefon der Kanzlerin übrigens auch abgeschnorchelt wurde. Da hat sich Merkel mal kurz echauffiert ("abhören unter Freunden, das geht gar nicht"). Umso putziger fand ich das, wo sie doch vorher beim Besuch eines Herrn Obama davon geschwafelt hat, dass "das Internet für uns alle Neuland" sei, und da Überwachung nun mal sein müsste. Anfang dieses Jahres haben dann mehrere Vereine die Untätigkeit der Staatsanwaltschaft durch eine Anzeige aufzulösen versucht, aber da hat letzte Woche der Generalbundesnichtstuer verkündet, dass es keine Beweise für irgendwas gäbe, und überhaupt, Ermittlungen würden ja eh nichts bringen, da könnte man die auch gleich ganz sein lassen.

Inzwischen ist der Range aber ein kleines Stück zurückgerutscht, und will dann wohl doch eventuell mal vorsichtig ermitteln. Nicht in der Frage, ob auf deutschem Staatsgebiet Spionage betrieben wird, sondern nur, ob Merkels Handy vielelicht wirklich mal abgehört worden sein könnte. Wie er da an Beweise gelangen will, die doch gerade erst als völlig aussichtslos verkündet wurden, mag der Herr Range ahnen, ich weiß es nicht.

Und so ist mein Fazit nach einem Jahr Snowden: Ja, wir werden komplett überwacht, der Staat tut genau gar nichts dagegen und die Geheimdienstler entblöden sich nicht, nach mehr Schnüffelrechten zu verlangen. Im Übrigen habe ich auch nichts davon gehört, dass in Sachen mordende NSU-Nazis auch nur eine formlose Anfrage an die Schnüffler überm Teich gegangen wäre. Es wäre vermutlich aber auch zu peinlich, wenn die Amis melden würden, dass die NSU-Trottel ständig mit V-Nazis in Kontakt standen. Auf der gleichen Schiene vermute ich die Ursache für die absolute Weigerung der Regierung, überhaupt nur darüber nachzudenken, ob der inzwischen gegründete NSA-Untersuchungsausschuss vielleicht mal Snowden befragen dürfte. Der könnte ja glatt verraten, dass die hiesigen Geheimdienste auf Gesetze und Verfassung pfeifen. Und das wäre dann nochmal peinlich, auch wenn das Volk das inzwischen wissen könnte.