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Beschneidebatte

Zum Thema Beschneidungen habe ich in den letzten Tagen noch ein paar mehr Meinungen im Netz gefunden, von denen ich besonders die juristisch geprägten Überlegungen von Thomas Stadler hervorheben will. Als Kontrast dazu greife ich mir mal den Grünen-Politiker Volker Beck raus, der auch schon vor einigen Tagen sich geäußert hat, aber nicht öffentlich auf die zuhauf gelieferten Gegenargumente eingeht.

Die öffentliche Debatte des Urteils aus dem Mai(!) ging nicht schon Ende Juni los, als die FTD darüber einen Bericht hatte, den udo Vetter am nächsten Tag mit einem Beitrag gewürdigt hat, oder am 4. Juli, als die Meldung über die DRadio-Nachrichten in meinem Podcast gelandet ist. Auch nicht, als sich eine Vereinigung muslimischer Gläubiger geäußert hat, oder der CSU-Politiker Geis sich in die Presse gekullert hat (7.7.), sondern erst, als eine Rabbiner-Konferenz sich erwartbarerweise gegen das Gerichtsurteil gestellt hat, wobei mir das härteste Zitat glatt entgangen ist, dass mal eben das Verbot der Körperverletzung von acht Tagen(!!) alten Jungen mit dem Mord an Millionen Juden (und so ganz nebenbei noch einer Reihe Zigeuner, Schwuler und anderer unerwünschter Personen) gleichgesetzt hat. Das wäre eigentlich der Punkt gewesen, wo man den Rabbis mal Godwin's Law erklären hätte müssen. Oh, übrigens: Der, der den Nazi-Vergleich vorbringt verliert die Diskussion.

Was stattdessen geschieht, ist eine riesengroße Koalition (alle im Bundestag vertretenen Parteien mit Ausnahme der Linken) beschließt, dass diese Form der Körperverletzung aus rein religiösen Gründen nicht verboten sein dürfe, weil ja männliche Kinder mit Vorhaut von Gott nicht anerkannt würden (die eher theologische Frage, warum dieser Gott, der den Menschen ja laut der selben Bibel nach seinem Bild erschaffen hätte, Jungen und Männer mit Vorhaut nicht akzeptierten könnte habe ich noch nirgendwo gestellt gelesen, geschweige denn beantwortet). Und deswegen soll die Körperverletzung in diesem einen Fall erlaubt sein. Dann kommen auch noch so Argumente wie das sei ja völlig gefahrlos, und die WHO würde das ja auch empfehlen (für Krisengebiete ohne ausreichende Hygiene. Das trifft auf Deutschland noch nicht zu). Was in dem Gefasel untergeht: Das Gerichtsurteil gab es überhaupt nur deswegen, weil bei einem muslimischen Kind nach der Beschneidung schwere Komplikationen aufgetreten waren, und die Verantwortlichen im Krankenhaus getan haben, was sonst immer gefordert wird: Gewalt gegen Kinder zur Anzeige gebracht.

Nun verspricht also die Gauckalition, dass sehr bald eine Gesetzesänderung beschlossen würde, die die Körperverletzung im Fall der männlichen Beschneidung erlauben würde, was dann zu der absurden Situation führt, dass Ohrfeigen verboten sind, aber erlaubt sein soll, dass aus religiösen Gründen ein Teil des Penis (üblicherweise ohne Betäubung) entfernt wird. Aber Mädchen soll auch dann nichts abgeschnitten werden dürfen, weil das ja grausam wäre.

Wie wäre es mal damit: Die Rabbiner werden in ein Eisbad verfrachtet, ganz offensichtlich sind deren Gehirne heftig überhitzt (am Wetter sollte das eher nicht liegen), und wenn sie wieder klar denken können, dürfen sie gerne darlegen, inwiefern es für sie unerträglich wäre, wennn Jungen nicht Teile ihrer primären Geschlechtsorgane abgeschnitten werden. Und dann dürfen mal die Juristen (im Bundestag wimmelt es doch von Vertretern dieser Zunft) mal das Grundgesetz und alle weiteren relevanten Gesetze studieren, weil ihnen dann auffallen könnte, dass jede medizinische Behandlung eine Körperverletzung ist, die nur durch die Einwilligung des Betroffenen erst legal wird (Ausnahme: Notfälle). Und dann dürfen sie mal darüber nachdenken, inwiefern Religionsfreiheit auch heißt, dass minderjährige Kinder einer religiösen Handlung unterzogen werden dürfen, bei der sie unnötig leiden (das Konzept der Anästhesie ist inzwischen auch nicht mehr ganz neu). Und dann dürfen die Rabbiner und die Vertreter des Islam (die übrigens gerne zeigen dürfen, wo im Koran die Beschneidung ihrer Kinder festgelegt ist) nochmal erklären, warum es unerträglich sein soll, dass man mit einem medizinisch unnötigen, schmerzhaften Eingriff wartet, bis der, an dem der Eingriff vorgenommen werden soll, sein Einverständnis erklären kann?

Oh, und der nächste Nazi-Vergleich führt dazu, dass der, der diesen Vergleich äußert ein Ohrläppchen abgeschnitten bekommt. Ohne Betäubung. Weil die Instrumentalisierung von Massenmord nie ein valides Argument darstellt.

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Kommentare

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thomas am :

Meine volle Zustimmung und danke für den Verweis darauf, dass jeder medizinische Eingriff ohne Einwilligung Körperverlletzung ist bzw. dies nicht ist erst dann, wenn eine Einwilligung vorliegt. Daran habe ich gar nicht gedacht bisher.

Das interessante daran ist, denke ich, dass dieser Standard im Nürnberger Ärztekodex erstmals etabliert wurde (als Folge aus den Menschenexperimenten an Juden, Frauen (Sterilisation), Roma, Sinti, Schwulen). Somit fällt die Legalisierung der Männerverstümmelung ohne Einwilligung des zu Verstümmelnden tatsächlich hinter diesen Kodex zurück, würde ich meinen. Womit der oberste Rabbiner gar nicht so fehl ging in seinem abstrusen Drittes-Reich-Vergleich, nur dass er es aus Versehen umgekehrt interpretierte.

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